über mein WIRKEN
Laudatio auf Petronilla HohenwARTer
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kunstfreunde,
liebe Petronilla.
ART 24/7 - YES , I CAN FLY
Das Leben kreativer Menschen mag chaotisch erscheinen – und manchmal leben sie tatsächlich in einer gewissen Unordnung. Dabei hat das Unordentliche, das Unausgegorene und Unkoordinierte, das Improvisierte und Imperfekte, das Vage und das Vielfältige auch seine Vorteile: Unter ihren Bedingungen können Entdeckungen gelingen und Erkenntnisse reifen. „Ich suche nicht, ich finde“, erklärte Pablo Picasso, dessen 50. Todestag wir in diesem Jahr begehen – und ich glaube zu wissen, was er damit meinte: Wenn alles, was man tut, penibel geplant und kontrolliert ist, ist das Finden weniger wahrscheinlich. Andererseits wird man nicht viel finden, wenn man die Augen nicht offenhält – und man wird mit dem, was man findet, nicht viel anfangen können, wenn es an Energie und Können, an Mut und Entschlossenheit fehlt.
BEWUSSTEIN - WAHRNEHMUNG
Petronilla Hohenwarter ist keine offensichtlich Unordentliche – und trotzdem eine echte Finderin. Eine, die die Kunst nie suchte, stattdessen aber ihre Kraft annahm, seit nunmehr einem Vierteljahrhundert wirken lässt – und sich selbst dabei stets zurücknimmt. Als ich vor einigen Wochen in Vorbereitung dieser Laudatio Petronillas Atelier in Waldkirchen betrat, spürte ich eine Art „Ozean der Zeit“. Ich fühlte beim Betrachten ihrer Bilder einen schwebenden Zustand – und gleichsam einen Sog, der mich in die Tiefe zog, hinein in eine kontemplative Stille innerer Harmonie. Petronillas Bilder spielen, in ihrer unfassbaren Tiefenschärfe, mit unterschiedlichen Ebenen des Bewusstseins und der Wahrnehmung. In einer vermeintlichen Abstraktion entführt sie uns in visuelle Erinnerungs- und Zukunftsräume. Die Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen, also die fundamentalen Fragen unseres Daseins, thematisiert Petronilla absolut unprätentiös. Ihre Arbeiten lassen Schwingungen spüren, und sie berühren uns subtil auf dieser Reise zu uns selbst.
SICHTBARMACHEN
25 Jahre Kunst – bei Petronilla ohne Sicherungsseil – bedeuten 25 Jahre Entwicklung hin zu einem Lebensabschnittswerk, das wir heute hier vorfinden – und das bemerkenswert ist. Es ist das Sichtbarmachen einer naturgegebenen Kraft, die Petronillas Schlüssel ist, um sich hinauszubewegen und entdecken zu dürfen. In der Natur liegt für sie das Absolute, aber auch das Vergängliche. Und, natürlich: Der Wald drängt tief in ihr Schaffen hinein. Petronilla, die Wald-kirchenerin, Petronilla, die Waidlerin, kann und wird nicht leugnen, wie sehr sie in ihren Arbeiten unterbewusst aus der Heimat schöpft, wie sehr sie den Wald offensiv als Sparringspartner benutzt – und ihn gleichsam bezwingen konnte, indem sie ihm auf ihrem Lebensweg den Rücken kehrte, zunächst in Richtung Indonesien und später nochmal für ein paar Jahre in Richtung Wien.
VISIONÄRIN - ALCHIMISTIN
Meine Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, wir haben uns heute hier versammelt, um Petronillas außergewöhliche künstlerische Reise mit der Ausstellung „Art 24/7 … Yes, I can fly“ zu feiern. Die feine Zusammenschau an Bildern aus Werkreihen, ausdrucksstarken Solitären oder Umbruch einleitenden Masterpieces führt uns nicht nur die strahlende Kraft der Liebe vor Augen, sondern ist eine faszinierende Erkundung des menschlichen Geistes und seiner grenzenlosen Fähigkeit, zu größeren Höhen aufzusteigen. In der Welt der Kunst steht Petronilla als Visionärin da, als eine Alchimistin der Emotionen, die Farben und Formen geschickt in tiefgründige Ausdrucksweisen menschlicher Erfahrungen zu verwandeln versteht. „Yes, I can fly“ ist ein Zeugnis ihrer unnachgiebigen Hingabe an ihr Handwerk und ihrer tiefen Verbindung, die sie zur Kunst und, in einem zweiten Schritt, zu ihrem Publikum herstellt.
Das Herzstück dieser Ausstellung liegt im Konzept der Liebe – ein Gefühl, das keine Grenzen kennt, eine Kraft, die Zeit und Raum überwindet. Während wir uns auf eine visuelle Reise durch Petronillas Bilderwelten begeben, finden wir uns in einer Welt wieder, in der die Liebe zu einer rätselhaften Symphonie aus Farben und Formen wird. Jeder Pinselstrich ist erfüllt von der Leidenschaft und Aufrichtigkeit, die nur von einer Seele stammen können, die im Einklang mit dem Universum schwingt.
AUS DEN FESSELN DER ANGST BEFREIEN
Petronillas informell abstrakte Schöpfungen, auf den ersten Blick scheinbar chaotisch, offenbaren bald ihre verborgene Harmonie, ähnlich wie die Komplexität der Liebe selbst. Petronilla verwebt ihre Farben wie Fäden und strickt daraus einen Handlauf durch die verschiedenen Facetten der Liebe: die Freuden der Begeisterung, die Qualen des Herzschmerzes, die Akzeptanz der Ruhe und die Kraft der Vergebung. Ich sehe in Petronillas Bildern eine Aufforderung, uns der Verletzlichkeit hinzugeben und uns der transformierenden Natur der Liebe zu öffnen. Während wir uns Petronillas Arbeiten dann anschauen, dürfen wir uns eingeladen fühlen, vorgefasste Vorstellungen loszulassen und jenen Empfindungen nachzugeben, die sie in uns hervorrufen: uns aus den Fesseln der Angst zu befreien, unsere Individualität zu umarmen und den Mut zu finden, mit ausgebreiteten Flügeln abzuheben – natürlich nicht wie die Enten, sondern viel freier und stolzer, wie Adler.
In „Art 24/7 … Yes, I can fly” finden wir eine tiefgründige Reflexion der Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes. Eine Ode an unsere Fähigkeit, zu heilen, zu hoffen und zu träumen – und, ja, auch das Potenzial, den Himmel zu erobern. Petronillas Kunst macht sichtbar, dass die Liebe die Essenz unseres Daseins ist, eine Kraft, die uns befähigt, Herausforderungen zu meistern, Schönheit aus dem Chaos zu erschaffen und Trost an den unerwartetsten Orten zu finden. Petronilla ist eine Künstlerin, die innere Räume beleuchtet, Horizonte erweitert und Wohlbefinden ermöglicht.
HINGABE
Kunst zu erschaffen hat primär nichts mit Business zu tun, sondern ist ein Lebensplan, eine Berufung, eine Hingabe an eine größere Aufgabe, die es zu meistern gilt. Mich beeindruckt, wenn Petronilla wieder einmal in monatelangen Prozessen versinkt, nicht gleich hinausrennt in die Öffentlichkeit, sondern abwarten kann, bis ihre Kunst selbst in die Welt drängt. Die Kunst arbeitet mit Petronilla, nicht umgekehrt. Mich beeindruckt aber auch ihr sorgfältiges arbeitstechnisches und inspiratives Freilegen ganzer Bildwelten für neue Räume und eine neue visuelle Stimme. So zeigt sich Petronillas große Verantwortung für ihr Gesamtwerk in jeder einzelnen Arbeit. Ihre Kunst vermittelt ein ganzheitlich stärkendes Bewusstsein, ihre Resultate beseelen.
Petronilla übt ihren Beruf mit einer nahezu monastischen Konzentration aus. In ihren Bildern entwickelt sich die Welt nicht nach Plänen, sondern durch Zufälle, Emotionen und Träume. In diesem Sinne verbindet sich die Figur der freischaffenden Künstlerin mit der umfassenden Freiheit einer Gesellschaft. Manchmal ließ Petronilla sich auch vom Unbekannten überrumpeln – und blieb trotzdem immer ihrer humanistischen und humorvollen Philosophie der Freiheit treu.
Nun kann man freilich fragen: Braucht eine Gesellschaft die Kunst? — Ja. Denn Kunst zivilisiert; Kunst macht wachsam; Kunst weckt die Fantasie. Sie tröstet dich, wenn du traurig bist; bringt dich zum Lachen, wenn du dir Sorgen machst und macht deinen Kopf klar, wenn alles drunter und drüber geht. Wer Kunst mag und sich auf sie einlässt, lernt, nicht zu hassen.
FREIHEIT
Kunst hat immer auch eine enge Beziehung zur Freiheit der Gedanken. Kunst ist ein Ausdruck des Innersten, sie ist in ihrem Wesen ein Gegenpol zur Kontrolle jeglicher Art. Und sie gibt den Menschen Orientierung, kann zum Selbstversuch animieren – und bestenfalls runter vom Sofa treiben. Kunst ist vielschichtig und öffnet Türen in andere Welten. Und nichts sollte jetzt wichtiger sein: andere Denkansätze kennenzulernen, sie zuzulassen, die gerade zerbröselnde Diskursfähigkeit zu retten und zu pflegen. Wir leben im Wisch-und-weg-Zeitalter, das sich zunehmend auf Oberflächen abspielt. In die Tiefe denken, Sachverhalte und Phänomene reflektieren, sie in Bezug setzen: Viele gehen davon aus, dass das nur noch ein Bedürfnis von wenigen schrägen Nerds ist. Das kritische Denken, die differenzierte Betrachtung, das Hinterfragen von Zusammenhängen – all das scheint immer weniger erwünscht.
Ja, Kunst und eine funktionierende Gesellschaft hängen untrennbar zusammen. Kunst ist in ihrem tiefsten Wesen Verschwendung, aber sie ist die einzige Verschwendung, die Gesellschaften voranbringt, die neue Energien freisetzt und die der zunehmenden Barbarei und der Propaganda entschieden entgegentritt oder, wie das Petronillas Kunst vermag: entgegenfliegt.
„Art 24/7 … Yes, I can fly”. Lasst uns Petronillas bemerkenswertes Talent, ihre Hingabe an die Liebe als Leitstern und ihre Fähigkeit, mit jedem Pinselstrich unsere Seelen zu bewegen, nun aber gebührend feiern. Vielen Dank.
Alexandra von Poschinger
Schloss Wolfstein, 28. Juli 2023
Urheberrecht / Text
©alexandravonposchinger
©petronillahohenwarter

Du gibst mir mehr, als ich zu träumen wagte | mixed media on canvas, 140 x 200 x 2,8 cm, 2022 , Portfolio Awakening 4.0